Auf Caspar David Friedrichs Spuren

Ein Wochenende im Elbsandsteingebirge

Es ist wieder soweit.
Seit Ende Februar habe ich Berlin nicht mehr verlassen und aufgrund des fehlenden Reisens fehlt es mir mit der Zeit etwas an Ausgeglichenheit. Aufgrund dessen, und um weitere potentielle Fotospots für meine anstehenden Fotoworkshop in der Sächsischen Schweiz auszukundschaften, brechen Daniel vom Fotoatelier Berlin und ich Freitag morgens um 1:30 Uhr ins Elbsandsteingebirge auf.

Die Wettervorhersagen für Samstag und Sonntag sind miserabel. Regen und Unwetter drohen aber wer nicht wagt der nicht gewinnt. Ungewöhnliche Fotos verlangen ungewöhnliche Maßnahmen.

Morgens auf dem Weg durch Brandenburgs und Sachsens Wälder begegnen uns Füchse, Waschbären und sogar Rehe. Vorsichtiges Fahren ist also geboten um eine Kollision zu vermeiden. Aufregend. Knapp drei Stunden später erreichen wir unser Ziel, den Lilienstein. Der wohl beliebteste und fotogenste Tafelberg der Gegend. Die Nacht ist fast sternenklar. Müde machen wir uns an den holperigen, steinigen Aufstieg um den Gipfel noch vor Sonnenaufgang zu erreichen. Unsere Beine sind schwer aber die Vorstellung eines schönen Sonnenaufgangs treibt uns an. Oben angekommen marschieren wir dem wohl begehrtesten Fotospot auf dem Lilienstein entgegen. Der knochigen, kleinen Kiefer auf einem Absatz des Berges. Nach unserem letzten Besuch im Oktober vergangenen Jahres wissen wir nun, wie wir auf den Absatz gelangen ohne zu stürzen und finden den freistehenden Baum in vielversprechendem Licht vor.

Heimat der Sonne, Lilienstein 2016 | © Ronny Behnert

Uns kommt es vor als wären wir erst gestern dort gewesen. Eine leichte Brise weht. Es ist verhältnismäßig warm. Wir haben genug Zeit zum entspannen, zum frühstücken und für den gemütlichen Aufbau unseres Equipments. Da die Kiefer genau in Richtung Osten zeigt warten wir auf die aufgehende Sonne, die sich bereits am Horizont ankündigt. Leichter Nebel wabert über die unter uns liegenden Felder. Die Konditionen könnten kaum besser sein.

Direkt zum Sonnenaufgang startet ein Ballon in Königstein, der uns ein Stück entgegen kommt und dann in Richtung Norden zur Bastei abbiegt. Der Nebel zaubert ein herrlich weiches Licht, das wie geschaffen für uns ist.

Die Kameras lösen nacheinander immer und immer wieder aus. Der perfekte Moment sollte nicht verpasst werden. Nach gut zwei Stunden haben wir die Fotos im Kasten. Ein zweites Frühstück muss her. Unbedingt! Bärenhunger!

Blick vom Lilienstein, Sächsische Schweiz 2016 | © Ronny Behnert

Das Panoramahotel am Lilienstein, unser Stammhotel in Sachen Sächsische Schweiz, bietet uns ein ideales Frühstück, das uns genug Kraft für den Tag und die weiteren Erkundungen spendet. Jedoch sind alle Zimmer ausgebucht, sodass wir vorher noch eine Unterkunft für die Nacht finden müssen. Gar nicht so einfach denn die Hotels der Gegend sind komplett ausgebucht.

Nach langer Suche fällt unsere Entscheidung auf einen Campingplatz an der Elbe. Notlösung. Genauer gesagt haben wir uns zwei Holzfässer gemietet, die zu einem Schlafhäuschen ausgebaut wurden. Ein wunderbares Bett mit genug Stauraum für unser Gepäck ist eine völlig neue Herausforderung für mich. Ich bin eigentlich kein Campingfan aber ich bin neugierig. Wie das wohl ist in so einem Fass zu schlafen? Bald werde ich es wissen. Das Gepäck wird verstaut und wir machen uns bei 28 Grad und strahlendem Sonnenschein auf den Weg zum Pfaffenstein. Von Fotowetter keine Spur.

Nach einer 20-minütigen Autofahrt erreichen wir den Parkplatz unterhalb des Berges und spurten los. Der Schweiß läuft nach ca. 10 Minuten an uns herunter und wir heben gerade mal die ersten Stufen erreicht. Der Vorteil des Aufstiegs ist, dass er sich mitten im kühlen Wald befindet. Somit wird der Weg nach oben nicht durch starke Sonneneinstrahlung erschwert. Ins Schwitzen kommen wir trotzdem. Der Aufstieg ist beschwerlich aber ein absolutes Abenteuer. Über Stock und Stein, über Leitern und durch Felslöcher schieben und kämpfen wir uns nach oben. Nach ziemlich genau 15 Minuten erreichen wir erschöpft und pitschnass den Gipfel. Das erste Plateau bietet einen herrlichen Blick auf die Festung Königstein und den Lilienstein. Das Licht um die Mittagszeit ist jedoch miserabel, sodass meine Kamera nicht zum Einsatz kommt. Nicht immer müssen Fotos geschossen werden. Wir genießen den Augenblick auf einem der Felsen, der in Richtung Norden zeigt. Der Spot eignet sich hervorragend für das Fotografieren zum Sonnenuntergang. Die Sonne geht etwas weiter links unter, sodass das Licht in den Abendstunden herrlich sein muss.

Weiter geht es auf der Suche nach tollen Aussichten und Motiven. Auch auf dem Pfaffenstein sind die Wanderwege bestens gekennzeichnet und perfekt beschaffen. Gefährlichere Stellen sind durch Geländer gesichert und Eisenbrücken geleiten den fröhlichen Wanderer über die zahlreichen Schluchten. Wir entdecken wunderschöne Fotospots und machen uns auf den Weg zur Barbarine, einer charakteristischen Felsnadel an der Südseite des Pfaffenstein.

"Die Sage von der Barbarine"

„Der Sage nach ist die Barbarine eine versteinerte Jungfrau, das immerwährende Mahnmal eines Strafgerichts, nach welchem es geschehen seyn soll, daß eine Mutter ihre Tochter Sonntags habe heißen in die Kirche gehen, die Tochter aber sey währender Kirche auf den Pfaffstein in die Heydelbeere gegangen, und als sie die Mutter daselbst angetroffen, habe sie die Tochter im Zorn verwünschet, daß sie müsse auf der Stelle zum Stein werden; worauf solches augenblicklich also geschehen, und daher diese zum Stein gewordene Jungfer auf immer allhier stehe, und mit ihrem Steinbilde alle ungehorsame Kinder warne.“

So steht es auf der Tafel geschrieben, die vor Ort angebracht wurde.

Barbarine, Pfaffenstein 2016 | © Ronny Behnert

Aber vorher essen und trinken. Auf dem Berg wird eine wundervolle, kleine Gaststätte betrieben die die zahlreichen Bergbesucher mit Schnitzel, Soljanka und allerhand Getränken versorgt. Nach einer schmackhaften Stärkung wandern wir 15 Minuten weiter über die Stein- und Eisentreppen auf und ab zur Barbarine. Am Südplateau angekommen muss die Barbarine erst gesucht werden. Die Felsnadel versteckt sich etwas weiter links hinter den Felsen und wird erst sichtbar wenn die ersten Felsvorsprüngen betreten und erklommen werden. Ein zweiter Standpunkt für eine spannende Sicht bietet ein Aussichtspunkt, der über eine schmale Felsschlucht zu erreichen ist. Beide Spots sind absolut fotogen und lohnenswert. Wenn das Licht mitspielt.

Leider haben wir an diesem Abend wenig Glück.
Der Wetterbericht sagte Wolken voraus und hinter uns zieht bereits eine Wand am Horizont auf. Genau dort an der sich in gut zwei Stunden die Sonne verabschieden soll. Schade, denn mit der Sonnen im Rücken haben wir auf weiche, pastellfarbene Zeichnungen am Himmel gehofft. Wir schießen trotzdem ein paar Fotos und verabschieden uns von der Barbarine. Ein perfekter Fotospot, der unglaublich viele Perspektiven zulässt. Der Pfaffenstein bietet dem erschöpften Wanderer mit einem alternativen Weg eine entspannte Möglichkeit diesen Berg zu verlassen. Der seichtere Abstieg dauert zwar ca. zehn Minuten länger aber ist tatsächlich wesentlich gemütlicher.

Campingfass in Königstein

Unten angekommen ist es bereits fast dunkel und wir fahren zurück zum Campingplatz. Die Holzfässer „locken“. Nach einem typischen Campingabendessen mit Würstchen, Tomaten und Nudelsalat gehen wir ins Bett und freuen uns auf den nächsten Tag. Der Sonnenaufgang wird jedoch ausfallen, da dicke Wolken und Starkregen vorhergesagt sind. Das ist sicher. 

Wir können also ausschlafen.

Starkregen weckt uns am nächsten Morgen. Dicke, tiefhängende Wolken ziehen sich an den Berghängen entlang. Von der Sonne keine Spur. Wir beschließen den Fototrip zu verkürzen und schon einen Tag früher abzureisen. Ein Tag Regen ist in Ordnung aber zwei Tage hintereinander sind uns zu viel. Ein anständiges Bett und eine warme Dusche in der Heimat sind verlockender als Berge im Starkregen zu erklimmen. Da das Elbsandsteingebirge nur knappe drei Autostunden entfernt von der Heimat liegt, fällt uns diese Entscheidung nicht sonderlich schwer.
Das graue Wetter wollten wir heute dennoch ausnutzen. Die tiefhängenden Wolken versprechen Nebelschwaden! Das was sich wohl viele Fotografen im Elbsandsteingebirge erhoffen. Nebel.

Morgendlicher Blick aus dem Schlaffass

Vielleicht nicht in dieser Kombination mit grauen Wolken aber ich bin hinsichtlich dessen eh etwas anders gestrickt als die Masse. Ich liebe graues Regen- und Nebelwetter. Die Atmosphäre, die während dieser Wettersituationen entsteht, ist Balsam für die Seele. Die Umgebung um mich herum wirkt reduzierter und stiller. In solchen Momenten finde ich zu mir zurück und entspanne mich.

Auf zum Kuhstall. Der Kuhstall ist, das nach dem Prebischtor, das zweitgrößte Felsentor im Elbsandsteingebirge. Es befindet sich auf dem Neuen Wildenstein, einem 337 m hohen Felsen der Hinteren Sächsischen Schweiz. Der Aufstieg gestaltet sich überraschend einfach. Wir wandern einen verhältnismäßig gut angelegten Wanderweg nach oben. Rechts und links ziehen die dunklen Tannen an uns vorbei. Weiter oben lassen sich die dichten Nebelschwaden schon erahnen. Nach ca. 20 Minuten zu Fuß erreichen wir unser Ziel.

Eine Art breiter Felsdurchgang, der auf der anderen Seite den Blick auf die Sächsischen Berge freigibt, bzw. freigeben sollte, empfängt uns auf dem Gipfel. Eine graue Suppe lauert auf der anderen Seite, die droht alles und jeden zu verschlucken. Ich springe vor Freude dem Geländer entgegen uns sehe nichts. Nichts außer Nebelschwaden und Bäume die langsam in ihnen verschwinden.

Blick vom Neuen Wildenstein, Sächsische Schweiz

Ringsherum die ersehnte Stille. Nichts ist zu hören. Wer bei Nebel von miserablem Fotolicht spricht hat noch nie in einer solchen Situation fotografiert. Unendlich viele ungewöhnliche Motive warten nur darauf fotografiert zu werden. Außergewöhnliche Fotos. Außergewöhnliche Maßnahmen. Wir arbeiten uns mit unseren Kameras über den Gipfel durch die Wälder an den zahlreichen Felsvorsprüngen entlang. Der Nebel lichtet sich teilweise und gibt einen unglaublich schönen Blick auf die Tannen und die Berge im Hintergrund frei. Nur wenige Wanderer kreuzen unseren Weg. Wir sind so gut wie allein. Reiche Ausbeute. Abstieg. Nächster Halt. Die Barbarine. 2.0. Am Vorabend noch habe ich mir das Motiv im Nebel vorgestellt. Dass ich so schnell die Möglichkeit bekomme, diese Vorstellungen in die Wirklichkeit umzusetzen hätte ich nicht gedacht. Wir wählen den „leichten“ Weg nach oben. Er führt am Fuße des Pfaffenstein um den Berg herum und schlängelt sich unterhalb der Barbarine langsam hinauf. Leicht?

Der Abstieg vielleicht aber der 20-minütige Aufstieg ist mühsam. Schweißgebadet komme ich oben an. Daniel stolperte abgeschlagen von mir weiter unten dem Gipfel entgegen. Da wir den Spot bereits kannten konnten wir unsere Kameras an den Punkten aufstellen, die wir bereits am Vortag genutzt haben. Die Felsen waren feucht und erschwerten die Kletterei aber letztendlich, mit ein paar Schrammen mehr, konnten wir in aller Seelenruhe fotografieren.

Die Barbarine im Nebel

Die Felsnadel verschwand leicht im Nebel und wirkte jetzt genau so wie ich sie mir vorgestellt habe. Ihre Sage wurde in diesem Moment zur Wirklichkeit. Nach gut zwei Stunden verabschiedeten wir uns von der Barbarine, dem Pfaffenstein und dem Elbsandsteingebirge. Wir beschlossen heim zu fahren. Der Nebel wurde strukturloser und grauer und die Spots, die wir ansteuern wollten haben wir besucht. Mit einem guten Gefühl im Bauch und mit vollen Speicherkarten schwangen wir uns ins Auto in Richtung Berlin. Liebe Sächsische Schweiz, wir sehen uns wieder.

Text: Ronny Behnert
Fotos: (c) Ronny Behnert

Mehr über die Arbeit von Ronny erfahrt Ihr auf seiner Webseite https://www.bewegungsunschaerfe.de/de/ oder seinem Instagram Kanal https://www.instagram.com/haggardphotography

Mehr